Ein Prinzenraub mit vielen Fragezeichen

Geschichte nach 550 Jahren lebendig gemacht: Niederfrohnaer Heimatfreunde folgen den Spuren des Kunz von Kaufungen

Niederfrohnaer Heimatfreunde auf den Spuren des Prinzenraubs: In der Nacht zum 8. Juli 1455 entführte der Ritter Kunz von Kaufungen aus dem Altenburger Schloss die Kinder des Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen. Der sächsische Prinzenraub jährt sich zum 550. Mal. Die Menschen im Umland von Chemnitz gedenken des Ereignisses mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktionen.

Niederfrohna / Limbach-Oberfrohna / Freiberg. Brisant ist der Sächsische Prinzenraub, weil die entführten Prinzen Ernst und Albrecht die Stammväter der Ernestiner- und Albertiner-Herrscherhäuser wurden, die bis zum Ende des Ersten Weltkrieges die politischen Geschicke in Sachsen bestimmten.

Fast 60 Mitglieder des Niederfrohnaer Heimatvereins und des Geschichtsvereins Penig besuchten bei einer Rundfahrt durch das Erzgebirge auf den Spuren des im heutigen Limbach-Oberfrohnaer Ortsteil Kaufungen beheimateten Ritters die Stadt Freiberg und das Kloster Grünhain. Die Rüsdorfer Schriftstellerin Regina Röhner, die im Chemnitzer Verlag zwei Bücher über Kunz von Kaufungen veröffentlicht hat, gab auf der Fahrt einen umfassenden Einblick in dieses historische Ereignis:

Die Entführung misslang. Am Nachmittag des 8. Juli wurde Kunz von Kaufungen am “Fürstenberg“ bei Waschleithe von Elterleiner Stadtwehrmannschaften, bewaffneten Klosterknechten und Köhlern gefangen genommen und ins Kloster Grünhain gebracht. Nur wenige Kilometer trennten Kunz von der rettenden böhmischen Grenze. Bei ihm war Prinz Albrecht. Seine Mitverschwörer, die sich mit Prinz Ernst im Hartensteiner Wald versteckt halten, gaben kurz darauf auf.

Kunz wurde zunächst nach Zwickau, von dort in die Bergstadt Freiberg überstellt. Dort erinnert noch heute ein auf dem Obermarkt eingelassener Stein an die Stelle, wo der Ritter bereits am 14. Juli 1455 geköpft wurde. Die Heimatfreunde besichtigten zudem die St.-Petri-Kirche. In ihr hatte Caspar von Schönberg, damaliger Bischof von Meißen und Onkel des Kunz von Kaufungen, den Ritter bestatten lassen.

Selbst über den Tod hinaus gönnten ihm seine Widersacher keine Ruhe. Friedrich der Sanftmütige und Herzog Wilhelm von Thüringen, denen die Bergstadt gehörte, waren mit der Bestattung nicht einverstanden. Caspar von Schönberg ließ drei Tage später deshalb den Leichnam in das ihm gehörende Gotteshaus in Neukirchen bei Siebenlehn umbetten.

Regina Röhner, die durch das Studium Urkunden und anderer historischer Dokumente tiefen Einblick in den Prinzenraub hat, bedauert, dass noch heute oft die von Anfang an überlieferte Sichtweise gepflegt wird, wonach Kurfürst Friedrich der Gute war und Kunz von Kaufungen der Böse.

Der sächsische Bruderkrieg (1446 bis 1450) hatte damals das Land ins Elend gestürzt. Friedrich weigerte sich, dem Kunz, der im Krieg auf seiner Seite gekämpft hatte, seine Dienste zu vergelten. Der Ritter geriet dadurch immer mehr in wirtschaftliche Bedrängnis. Mit dem Prinzenraub wollte Kunz seine Forderungen durchsetzen. Er bewegte sich dabei innerhalb der gesetzlichen Normen. Denn das Fehderecht, auf das er sich berief, wurde erst 1495 aufgehoben. Der Prinzenraub ist vielen Leuten bekannt, im Detail aber kaum geläufig.

“Mit Regina Röhner haben wir eine Begleiterin, die offensichtlich noch mehr Wissen über den Fall hat als Historiker“, freute sich Andreas Eichler. Für den Chef des Niederfrohnaer Heimatvereins ist ebenfalls bezeichnend, dass die einzige offizielle Version des Prinzenraubes einst vom Kürfürst selbst in Umlauf gesetzt wurde. “Auch das ist ein Beleg dafür, dass große Politik stets mit Lügen verbunden ist, früher wie heute. Heute wird jedoch nicht einmal mehr stilvoll gelogen, wie im Fall des Irak-Krieges zubeobachten war.”

Freie Presse 21.06.2005 (SO)

BUCHTIPP:
Regina Röhner: Der sächsische Prinzenraub. Chemnitzer Verlag. ISBN 3-928678-11-6.10,50 Euro;
Regina Röhner: Annas Geheimnis: Eine Geschichte vom Prinzenraub (für Kinder). Chemnitzer Verlag. 3-928678-90-6. 11,50 Euro.