Die Amerikaner sind zurück

Vor 173 Jahren haben mehr als 50 Niederfrohnaer ihre Heimat verlassen

Freie Presse vom 16.06.2011 ( Von Christian Mathea )

Niederfrohna. Als der US-Amerikaner Terry Hecht am Mittwochabend mit seiner Frau Glenda in Niederfrohna angekommen ist, hat er sich womöglich gefragt, warum seine Vorfahren vor 173 Jahren hier weggegangen sind.

default alt. text

Foto: Andreas Truxa

Terry und Glenda Hecht (l.) sowie George Thurm (r.) aus den USA stehen mit der Bewohnerin Beate Richter (Mitte) und Gabriele Liebert vom Heimatverein (2. von rechts) vor dem Geburtshaus ihrer Vorfahren. „Der Ort entwickelt sich prächtig“, lobt der 69-Jährige in einem breitem Sächsisch mit amerikanischen Einschlag. Das Deutsch habe er von seinem Vater gelernt. „Ich habe aber immer in Englisch geantwortet“, erzählt Hecht, der mittlerweile stolz auf seine Sprachkenntnisse ist. Mit dem Ehepaar Hecht ist George Thurm über den großen Teich gekommen. Der 81-Jährige hat 17 Jahre lang in Frohna gelebt – also in jenem Ort in der Nähe von St. Louis, den die im Jahr 1838 ausgewanderten Niederfrohnaer im fernen Amerika aufbauten. Der Hauptgrund für ihre Flucht war, dass sie ihre Religion als Lutheraner nicht frei ausleben konnten.

Das 7500 Kilometer entfernte Frohna sei mit dem sächsischen Niederfrohna nicht zu vergleichen, sagt Thurm: 256 amerikanische Frohnaer gegen 2414 Niederfroh­naer, und einige Holzhütten am Rande des Bundesstaates Missouri gegen Fachwerkbauten, Fabrikgebäude und moderne Wohnhäuser im hiesigen Ort nördlich von Chemnitz.

Wie die heutige starke Verbindung der beiden Orte nach vielen Jahren Funkstille zu Stande gekommen ist, kann Peter Hecht erklären. Der Limbach-Oberfrohnaer ist mit Terry Hecht und George Thurm im fünften Grad verwandt. Zu DDR-Zeiten habe er in Kirchenbüchern nach seinen Niederfrohnaer Vorfahren und deren alten Adressen recherchiert, erzählt Peter Hecht. Als er einige Namen gefunden hatte, gab er der Schriftstellerin Ingerose Paust – sie hat ein Buch über die Auswandergeschichte geschrieben und durfte bereits vor der Wende in die USA reisen – seine Unterlagen mit. Offenbar hatte Ingerose Paust auf der anderen Seite des Atlantiks Erfolg und die Nachfahren der Hechts irgendwo in der Mitte der USA aufgestöbert. Diese erinnerten sich den weit entfernten Ort der Herkunft ihrer Vorfahren und riefen dort an. „Ich habe nach der Wende einen Anruf bekommen von Verna Thurm, der Frau von George, und war richtig begeistert“, sagt Hecht, der daraufhin sofort in die USA zum Erstbesuch aufgebrochen sei. Mittlerweile wird die Völkerfreundschaft gelebt – mit Telefonaten zu den Geburtstagen, Karten zu Weihnachten und regelmäßigen Besuchen sowohl von Deutschland aus Richtung USA wie auch umgedreht.

Die Freundschaft existiert nicht nur zwischen den Nachfahren der Hechts. In Niederfrohna ist das ganze Dorf stolz auf den hohen Besuch aus den Vereinigten Staaten. Als die Amerikaner am MIttwoch offiziell willkommen geheißen wurden, war das halbe Dorf im Rathaus erschienen. Gabriele Liebert vom Heimatverein ließ in einer zweisprachigen Theatervorstellung die Geschichte der Auswanderer wieder aufleben und eröffnete die Ausstellung „Von Niederfrohna nach Amerika“ – eines der vielen Höhepunkte der 775-Jahr-Feier des Ortes an diesem Wochenende.