Seine kluge Standhaftigkeit flößte Respekt ein

Der Niederfrohnaer Joachim Winkler: Ein Schmied wie aus dem Märchenbuch - Vater von sechs Kindern, engagierter Christ und einer, an dem sogar Widersacher verzweifeln

Sie sind weggegangen und heimgekehrt, sie haben sich fürs Hierbleiben entschieden: Menschen im Chemnitzer Umland. Die großen Veränderungen dieser Zeit spiegeln sich in ihrem Leben. Sachsen hat seit 1990 neun Prozent seiner Bevölkerung verloren. 62.300 Menschen haben den Freistaat allein im fahr 2001 verlassen. Der Regierungsbezirk Chemnitz ist mit knapp 200.000 Personen, das sind 11,2 Prozent, am stärksten betroffen. Was Menschen in der Region hält, findet sich in ihrem Alltag wieder. Wir haben uns mit ihnen unterhalten und stellen sie vor: Menschen, die im Umland von Chemnitz leben.

Niederfrohna. ”Er war schon immer eine Erscheinung, die Respekt und Autorität einflößt, aber auch gleichzeitig Fröhlichkeit verbreitet.” Karin Mengert, die Verwaltungsangestellte des Pfarramtes der Niederfrohnaer Christuskirchgemeinde, beschreibt Joachim Winkler, den sie seit 1965 kennt und schätzt. ”Es dauert manchmal ganz schön lange, bis er etwas sagt, aber was er dann sagt, ist eine Wucht”, formt sie weiter an dem Bild des ehemaligen Kirchenvorstandes, der bis zur Neuwahl 2002 über 40 Jahre lang aktiv, engagiert und ehrenamtlich im Dienst der Gemeinde stand. Die Neugier auf den gelernten Schmied wächst, die Freude darauf, ihn kennen zu lernen ebenfalls.

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Schmied Joachim Winkler mit seiner Frau Ingrid

Und dann steht er da. Ein Schmied wie aus dem Märchenbuch: Groß, stark, mit weißem Haar und weißen Bart. Der 70-Jährige flößt wirklich das ein, was Karin Mengert schilderte. Dazu kommen eine sofortige Vertrautheit und der Wunsch, dieser Mann möge irgendwie zur eigenen Familie gehören. Für die Arbeit in der Gemeinde habe er sich von Anfang entschieden, weil er sich berufen gefühlt habe und berufen wurde, begründet der in Berlin-Spandau geborene Mann. Damals war er 20 Jahre.

Fünf Geschwister hat er, die Mutter starb in den letzten Kriegstagen. 1943 kam der damals zehnjährige vorübergehend zu Verwandten seines Vaters nach Kaufungen, ging hier zur Schule. Frühzeitig stand fest, dass er Schmied werden wollte, ein traditioneller Beruf in der Familie seines Vaters. Deshalb kehrte er nach dem Krieg nach Kaufungen zurück. ”1947 meldete ich mich in Spandau auf dem Rathaus ab. Da weinte die Angestellte und machte mich mit Engelszungen darauf aufmerksam, dass ich nicht zurück kann”, erzählt er.

So ging er in die Lehre zum Schmied in Kaufungen, dem Ort, in dem er auch seine Frau kennen lernte. Ende der 50er Jahre wollte sich der Schmied selbstständig machen, hörte sich um und erfuhr, dass es in Niederfrohna nur noch zwei ganz alte Schmiede gab und echter Bedarf nach einem jungen bestand. So landete er in Niederfrohna. ”Aber der Sozialismus verhinderte, dass ich mich selbstständig machte, und ich trat in die LPG ein. Damals war ich schon mit Irene verheiratet, und wir hatten zwei Kinder.” Sechs sind es geworden, darunter ein Zwillingspärchen. Die Wurzeln der Entscheidung zum Glauben liegen in seiner christlichen Erziehung. Er sieht darin eine entscheidende Lebenshilfe und ein festes Fundament. ”Es sind ja am laufenden Band Dinge geschehen, die man ohne Glauben nicht übersteht”, sagt er.

Seine Arbeit als Schmied füllte er mit Leib und Seele aus. 1964 legte er einen zweiten Meisterbrief als Traktoren- und Landmaschinenschlosser ab. Erst arbeitete er allein, später hatte er drei Werkstätten und 25 Leute unter sich danach wurde er technischer Leiter der LPG Pflanzenproduktion, war Schweißverantwortlicher für etwa 80 Schlosser, was zu DDR-Zeiten eine diffizile Aufgabe war. ”Probleme gab es immer. Der Partei habe ich nie angehört. Einmal gelang es mich zu überreden, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft beizutreten. Als man mich wieder fragte, ob ich in die Partei wolle, antwortete ich: Wenn meine Stellung mit diesem Eintritt verbunden wird, steht sie morgen zur Verfügung. Sie haben es sich nicht getraut, das auf die Spitze zu treiben”, berichtet Joachim Winkler. Vieles geschah im beruflichen Bereich, das ihm eine Menge Kraft und Mut abforderte.

Die Arbeit für die Kirche war für ihn stets wichtig. Viele Jahre war er stellvertretender, dann Kirchenvorstand, ersetzte sogar zeitweise Pfarrer, wenn diese erkrankt waren. So lange er konnte, blies er die Posaune, gestaltete aktiv die Arbeit mit den Partnergemeinden. Und als Schmiedemeister kümmerte er sich natürlich um die Glocken und die Bauangelegenheiten.

”Meine Familie sagt, ich solle meine Memoiren schreiben, aber dazu habe ich keine Lust”, scherzt der Mann. Und zur Aussage von Frau Mengert, dass es manchmal lange dauert, bis er etwas sagt, meint er: ”Das Prädikat war, mir schon früh zuteil geworden. Ich bin der Meinung, lieber weniger sagen, erst nachdenken.”

Freie Presse 12.04.2003

MDR.DE: Joachim Winkler - Schmied aus Niederfrohna