Wie der Kindergarten zur Schule wird

Bildungsplan in Niederfrohna bereits umgesetzt

Freie Presse vom 06.06.2011 ( Von Christian Mathea )

Niederfrohna. Seit dem Jahr 2005 ist Lernen an Sachsens Kitas durch den sächsischen Bildungsplan offiziell vorgeschrieben. Das im Jahr 2005 entwickelte Maßnahmenpapier soll die Grundlage für die Arbeit der Erzieherinnen liefern.

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Foto: Andreas Seidel

Niederfrohnas Kita-Leiterin Maria Feist (2. von rechts) und ihre Kolleginnen wollen die Kinder zum Forschen und Entdecken motivieren, damit sie Lust auf Lernen und neues Wissen bekommen.

In Niederfrohna ist diese Bildungsoffensive positiv aufgenommen worden. „In der Kita werden die Grundlagen dafür gelegt, wie gut Kinder später Wissen aufnehmen und strukturieren können“, sagt die Leiterin der Kita Pfiffikus, Maria Feist. Der Ordner mit den Vorgaben des Bildungsplans steht in einem Regal im Personalraum der Kita. Darin sind Lehrmethoden in sechs Fachschwerpunkten beschrieben – angefangen von Naturwissenschaften über Mathematik bis hin zu sozialer Bildung und Körperwahrnehmung. Mit strengem Schulunterricht hat das wenig zu tun. Vielmehr geht es beim Bildungsplan darum, das Lernen zu lernen beziehungsweise Wissen altersgerecht in das Spielen mit einfließen zu lassen. „Wir zeigen nicht einfach abstrakte Zahlen, sondern weisen die Kinder darauf hin, wo Zahlen und Mengen eine Rolle spielen, beispielsweise beim Blätter sammeln“, erklärt die 27-Jährige studierte Sozialpädagogin am Beispiel des mathematischen Bereiches.

Neben allgemeinen Fächern wählt jede Kita eine spezielle Ausrichtung. Während viele Kitas auf sprachliche und musische Profile setzen, hat man in Niederfrohna den Selbstbildungsan­satz gewählt, nach dem das Kind möglichst viel selbst entdecken und von sich aus lernen soll, sowie den lebensbezogenen Ansatz, nach dem das Geschehen im Dorf und in der Umgebung in die Arbeit des Kindergartens mit einfließt. „Wir gehen oft in die Natur, besprechen häufig die Geschehnisse in der Gemeinde oder machen bei Dorffesten mit“, sagt Maria Feist.

Im letzten Jahr der Kita ist laut sächsischem Bildungsplan eine Vorschulklasse vorgesehen. Im zweiten Halbjahr gehen die Kinder in Niederfrohna dabei einmal pro Woche in die benachbarte Grundschule, um Klassenzimmer und Lehrer kennen zu lernen.

Wissenschaftliche Bewertung

Wissenschaftler der Uni Bremen haben den sächsischen Bildungsplan analysiert. Die Ergebnisse wurden in der vergangenen Woche vorgelegt und laut Kultusministerium als positiv bewertet. In dem Papier der Hochschule heißt es dazu: „Betrachtet man die Ergebnisse der Evaluation zusammenfassend, so wird deutlich, dass die Einführung des Bildungsplans und die Maßnahmen zur Stärkung des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule eine beträchtliche Wirkung erzeugt haben.“

Aber nicht überall wird der Bildungsplan gleich gut umgesetzt. Während die sächsischen Bildungsagentur in Zwickau die Kita Niederfrohna als positives Beispiel hervorhebt – „In Niederfrohna haben wir den ‚glücklichen‘ Umstand, dass es dort nur eine Kita und eine Grundschule gibt, das vereinfacht die Zusammenarbeit gewaltig“, sagt Pressesprecher Arndt Schubert – gibt es an anderen Orten noch Nachholbedarf.

„Es zeichnet sich ein sehr indifferentes Bild in den Klassen ab. Die Lehrer merken genau, in welchen Kitas der Bildungsplan ernsthaft umgesetzt wurde und in welchen es Nachholbedarf gibt“, sagt Schubert. So könnten die Kinder aus der einen Kita sich beispielsweise viel besser konzentrieren und würden strukturierter an eine Aufgabenstellung herangehen als Kinder aus einer anderen Kita.

Als Konsequenz aus den Unterschieden fordert er: „Es muss noch eine stärkere Vernetzung zwischen Grundschule und Kita geben.“ Zudem seien weitere Fortbildungspro­gramme besonders im didaktisch- methodischen Bereich nötig.

Geld für Umsetzung fehlt

Ein Streitpunkt bei der Umsetzung des Bildungsplanes ist die finanzielle Unterstützung. „Die Kitas haben zu wenig Geld, um Projekte umzusetzen. Besonders ärgerlich ist der Wegfall der Kostenübernahme des Vorschuljahres im Januar“, sagt Maria Feist. „Vor ein paar Jahren erst eingeführt, wurde der Beitrag der Eltern im letzten Jahr voll übernommen, damit alle Eltern ihr Kind vollständig fördern lassen können.“

Diese Kritik weist das sächsische Kultusministerium zurück: Unabhängig von der Finanzierung der Elternbeiträge im Schulvorberei­tungsjahr seien die Zuweisungen für Kindergärten und Horte von 351 Millionen im Jahr 2010 auf 389 Millionen Euro €im Jahr 2011 gestiegen und würden 2012 auf 401 Millionen € weiter ansteigen, sagt Pressesprecherin Annett Pabst. „Unter anderen um diesen Anstieg zu finanzieren, konnte die Förderung der Beitragsfreiheit nicht fortgesetzt werden.“

Diese habe keinerlei Bezug zur pädagogischen Arbeit beziehungsweise zur Umsetzung des Bildungsplans, betont sie. „Es handelte sich allenfalls um eine Familien unterstützende Maßnahme, deren Wirkung jedoch umstritten ist, da ohnehin in Sachsen für fast ein Drittel der Kinder aus sozialen Gründen keine Elternbeiträge entrichtet werden. Diese Beiträge für sozial Schwache werden von den Jugendämtern übernommen.“